Der Klatschmohn gehört für mich zu den reizvollsten Sommerblumen. Weil er so zart ist und trotzdem ganze Felder rot färben kann. Weil man ihn nicht in die Vase stellen, sondern bloß bewundern kann. Und weil er mit seinen wunderschönen Blüten unzählige Insekten anlockt. Vielleicht aber auch, weil es dann, wenn er blüht, wirklich Sommer ist.
Klatschmohn wanderte aus dem Mittelmeergebiet ein
Klatschmohn (Papaver rhoeas), der zwischen Mai und August blüht, kommt ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet – er ist ein echter Sonnenanbeter. Allerdings ist er schon seit Jahrtausenden in Mitteleuropa heimisch, schon um 4500 v. Chr. hat er den Weg nach Norden gefunden – zusammen mit Getreide, an das er bestens angepasst ist. Als Lichtkeimer braucht er nämlich offene Flächen, und dafür sind Äcker ideal.
Große Blüten ohne Nektar
Die Pflanze, die 2017 von der Loki-Schmidt-Stiftung zur Blume des Jahres gewählt wurde, gehört zu den Mohngewächsen (was der Name ja schon sagt). Sie wird etwa 20 bis 70 Zentimeter hoch. Der Stängel trägt feine Haare und die gefingerten Blätter ebenfalls. Die Blüten, die immer ein bisschen zerknittert aussehen, sind vergleichsweise groß und üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Insekten aus, obwohl sie keinen Nektar anbieten.
Fruchtkapseln mit Dach
Die einzelne Blüte ist nur etwa einen oder zwei Tage zu sehen, dann verwelkt sie. Wer sie in die Blumenvase stellt, ist schnell enttäuscht, denn die Blütenblätter fallen schon nach kurzer Zeit ab.
Nach der Blüte reifen die Samen in auffälligen Kapseln heran, die etwa die Form einer Tüte haben und oben ein Dach tragen. Direkt darunter sind kleine Öffnungen zu sehen, aus denen die kleinen dunklen Samen herauskommen – sie werden mit dem Wind verbreitet. Das System der Kapsel ist so effektiv, dass ein Erfinder namens R. H. Francé einen Salzstreuer erdacht hat, der ähnlich funktioniert (das Vorbild der Natur wird als Bionik bezeichnet).
Mohn wächst auch auf Schuttflächen
Übrigens wächst Mohn nicht nur auf Äckern, er ist auch auf Schuttflächen und an Wegen zu sehen. Er liebt kalkhaltige Böden und Flächen, auf denen keine Herbizide gespritzt werden.
Ackerwildpflanzen sind gefährdet
Leider ist die Sommerschönheit heute nicht mehr so häufig zu sehen als noch vor einigen Jahren. Was – wie leider so oft – am Menschen liegt, der mit Chemie dafür sorgt, dass viele Ackerwildpflanzen verschwinden. Die Kornrade ist ein besonders trauriges Beispiel dafür, sie ist beinahe ausgestorben. Auch der Feld-Rittersporn ist nur noch selten zu sehen.
Acker als Lebensraum für Wildpflanzen
Ursprünglich lebten auf einem Acker etwa 350 Pflanzenarten. Viele davon aber sind von den Feldern verschwunden. Dabei, so Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki-Schmidt-Stiftung, könne man nur etwa 20 Arten als „Problempflanzen“ ansehen, weil sie die Ernte erschweren, sich ins Saatgut einmischen oder sogar giftige Stoffe enthalten. Aber die Chemie zerstört alle Ackerwildpflanzen – nicht nur den Klatschmohn, und mit ihnen verschwinden auch Schmetterlinge und andere Insekten.
Klatschmohn für den Garten kaufen
Sie können Klatschmohn auch im heimischen Garten anpflanzen und so etwas für Insekten (und Ihr Auge) tun. In guten Gartencentern können Sie die Pflanze kaufen. Etwa beim schwedischen Samen-, Zwiebel- und Knollen-Anbieter Florea, wo es ihn als „English Poppy“ gibt. Das Unternehmen arbeitet nachhaltig und bietet auch Samen in Bio-Qualität an. Fürs nächste Jahr können Sie Mohn ab Oktober aussäen.
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Eine Antwort auf „Klatschmohn – zarte Schönheit auf der Wiese“
Roter Mohn
Es geschah an einem schönen, sonnigen Tag. Die Straße war erfüllt von Kinderlärm, als plötzlich meine Welt zusammenbrach.
Ein Schrei tötete das Gelächter. Es war Jackie. Sie rannte auf mich zu. Ihr Gesicht war weiß vor Angst und Schrecken.
„Fynn“, rief sie, „oh Fynn, Anna! Sie ist tot. Sie ist bestimmt tot.“
Eiswasser rann mir den Rücken hinunter. Ich rannte die Straße entlang. Da hing Anna quer über einem Zaun. Ihre Finger griffen kraftlos nach einem Halt. Ich hob sie herunter und wiegte sie in meinen Armen. Schmerz flackerte in ihren Augen.
„Bin vom Baum gefallen“ flüsterte sie.
„Ist gut, Fratz. Wird alles gut. Ich bin bei dir. Ich halte dich fest.“
Mir war so elend. Aus den Augenwinkeln sah ich etwas, das mich noch mehr erschreckte, als das Kind in meinen Armen. Bei ihrem Sturz hatte Anna ein Stück von jenem schmiedeisernen Geländer abgebrochen.
Noch vor zwei Jahren hatte niemand so ein ähnliches Stück beachten wollen. Jetzt sah jeder dieses Eisenstück. Jeder sah die kristalline Bruchstelle, und sie war rot vorScham. Rot wie Blut.
Ich trug Anna nach Hause und legte sie vorsichtig aufs Bett. Der Arzt kam, verband sie und ließ mich mit ihr alleine. Ichhielt ihre kleinen Hände und schaute in ihr Gesicht, das sich schmerzlich verzog. Dann versuchte sie ein Lächeln. Das Lächeln gewann. Die Schmerzen versteckten sich. Dank Gott, sie wird gesund werden. Dank, Mister Gott!
„Fynn, wie geht es der Prinzessin?“, flüsterte Anna. „Es geht ihr gut“, antwortete ich, aber ich wußte nicht, ob es stimmte.
„Sie saß auf einem Baum und konnte nicht wieder runter. Ich bin ausgerutscht.“
„Es geht ihr gut.“ „Sie hatte Angst, soviel Angst. Sie ist doch bloß ein Kind.“
„Es geht ihr gut. Ruh dich aus. Ich bleib bei dir. Hab keine Angst.“, sagte ich.
„Ich hab keine Angst, Fynn. Kein bißchen.“
„Schlaf Fratz. Schlaf ein bißchen. Ich bleib bei dir.“ Sie schloß die Augen und schlief ein. Es wird alles gut werden, es wird alles gut werden, es wird alles gut werden. Tief innen wußte ich es.
Zwei Tage hielt dieses beruhigende Gefühl an und vertrieb mir die Furcht. Mein Lächeln und ihre Erzählungen von Mister Gott machten mich sicher. Meine Beklemmungen lösten sich.
Ich sah aus dem Fenster, als sie nach mir rief.
„Fynn?“
„Hier Fratz. Was möchtest du?“ Ich wandte mich zu ihr.
„Fynn, es ist so komisch. Es kehrt sich alles von innen nach außen.“ Auf ihrem Gesicht malte sich Staunen. Eine Faust preßte mir das Herz zusammen. Ich dachte an Oma Harding.
„Fratz!“ Meine Stimme war viel zu laut. „Fratz! Sieh mich an!“
Ihre Augen flackerten, als sie lächelte. Ich stürzte zum Fenster, riß es auf. Cory war draußen.
„Schnell, hol den Arzt!“
Cory nickte und raste davon. Plötzlich wußte ich Bescheid. Ich ging zurück zu Annas Bett. Es war keine Zeit zum Weinen. Es war niemals Zeit zum Weinen. Kalte Angst saß in meinem Herzen. Ich hielt ihre Hand. Ich dachte, ich bat, ich betetet, ich beschwor Mister Gott.
„Fynn“, flüsterte sie und wieder lief ein Lächeln über ihr Gesicht. „Fynn, ich hab dich lieb!“
„Ich dich auch Fratz.“ „Fynn, ich wette, Mister Gott läßt mich dafür in sein Himmel rein.“
„Ich wette, er wartet persönlich auf dich am Tor.“
Ich wollte noch viel mehr sagen, aber sie hörte nicht mehr zu.
Die Tage brannten nieder, wie große Kerzen, Die Zeit schmolz und gerann zu nutzlosen, häßlichen Klumpen.
Zwei Tage nach Annas Begräbnis fand ich eine Schachtel in der sie Samenkörner gesammelt hatte. Das gab mir Arbeit. Ich ging zum Friedhof und stand dort eine Weile herum. Wäre ich ihr doch nur näher gewesen, hätte ich nur mehr von ihr gewußt. Hätte ich… hätte ich. Ich streute die Körner auf die frisch aufgeworfene Erde und warf die Schachtel fort.
Ich wollte Mister Gott hassen, wollte ihn aus meinem Leben werfen. Aber er ließ sich nicht verscheuchen. Er wurde realer als je zuvor. Ich konnte nicht hassen, nur verachten. Gott war ein Dummkopf, ein Kretin. Er hätte Anna retten können, warum hatte er es nicht getan?
Er ließ es einfach geschehen und es war die unsinnigste Sache der Welt. Dieses Kind… es war noch nicht 8 Jahre alt. Gerade als es… ach zum Teufel.
Ich lebte weiter. Die Jahre vergingen. Manchmal zog der Geruch eines Holzfeuers durch meine Phantasie. Rübezahl, Knast-Willi, die verrückte Lilly, Anna und ich.
Irgendwann geschah etwas und ich weinte.Ich weinte zum ersten Mal seit Jahren. Ich ging aus, an jenem Abend und blieb die Nacht lang draußen. Wolken segelten.
Vielleicht stimmte mein Kummer nicht? Vielleicht war Annas Leben vollendet gewesen? Vielleicht war alles gar nicht sinnlos, kein idiotischer Zufall?
Am nächsten Tag ging ich zum Friedhof. Ich wußte, daß es nur ein kleines Holzkreuz gab und keinen Grabstein. Ich fand es erst nach einer Stunde. Ich atmete tief. Das Kreuz stand ein wenig schief, als sei es betrunken. Die Farbe blätterte ab. Der Name war noch leserlich: ANNA.
Ich wollte lachen, aber man lacht nicht auf einem Friedhof. Aber ich mußte lachen. Ich lachte, bis mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich zerrte das Kreuz heraus und warf es in ein Gebüsch.
„Also gut, Mister Gott“ , lachte ich, „Du hast mich überzeugt. Guter alter Mister Gott. Du bist manchmal ein bißchen langsam, aber irgendwann kommt alles in Ordnung.“
Auf Annas Grab wuchs ein Teppich von blutrotem Mohn. Im Hintergrund standen Lupinen. Die Bäume redeten miteinander die Baumsprache. Anna war zu Hause, sie brauchte keinen Grabstein. Eine Tonne feinsten Marmors würde diesen Platz nicht schöner machen.
Ich blieb eine Weile stehen und nach fünf Jahren sagte ich Anna zum ersten Mal: „Auf Wiedersehen.“
Auf dem Rückweg kam ich an dem großen Marmorengel vorbei. Er versuchte noch immer seine Blumen auf das marmorne Grab zu legen.
„He, du“, sagte ich zu ihm „gibs auf. Du schaffst das nie.“
Die eisernen Pforten öffneten sich. Ich sagte: „Die Antwort heißt .“ Und ein kurzer Schreck überfiel mich, als ich Anna sagen hörte: „Und auf welche Frage ist das die Antwort, Fynn?“
„Das ist leicht. Die Frage heißt: ‚Wo ist Anna‘“
Ich hatte sie wiedergefunden. Und ich war sicher, irgendwo saßen Anna und Mister Gott zusammen und lachten.
Als ich noch jung war, war das Buch “ Hallo Mister Gott hier spricht Anna “ ein Lieblingsbuch von mir und seid dem ist roter Mohn eine meiner Lieblingsblütenpflanzen.