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Park & Platz Wildes Berlin

Begegnung mit der Gottesanbeterin

Es gibt Tiere, denen man eigentlich nur in Südeuropa  begegnet. Die Gottesanbeterin ist eines davon. Aber mit viel Glück kann man sie sogar in Berlin sehen. Immerhin im Süden – genauer im Natur-Park Südgelände. Gerade wurde die Gottesanbeterin zum Insekt des Jahres 2017 gekürt.

Die Gottesanbeterin auf dem einstigen Bahngelände

Das Gelände, das einst ein Güterbahnhof war, ist ein Paradies für seltene Tier- und Pflanzenarten, vom gelbblühenden Habichtskraut über unterschiedliche Wildrosen (darunter die Heckenrose) bis zur Esels-Wolfsmilch, von 130 Bienenarten bis zur eigentlich in Südfrankreich beheimateten Höhlenspinne. Und mit den teilweise noch erhaltenen Gleisen, dem 50 Meter hohen Wasserturm, der Lokomotiv-Halle und anderen Relikten aus der Bahn-Zeit ist der Natur-Park Südgelände überaus reizvoll. In dieser Wildnis inmitten der Stadt finden sich Waldstücke, Trockenrasen, Brachflächen und vieles mehr. Hier hat auch die Gottesanbeterin Rückzugsflächen gefunden.

Die einzige heimische Fangschrecke

Die einzige in Mitteleuropa vorkommende Fangschrecke heißt mit vollem Namen Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) und ist ein eindrucksvolles Geschöpf von bis zu siebeneinhalb Zentimetern Länge. Zwar wird vermutet, dass sie nicht auf natürlichem Wege in den Naturpark Südgelände gekommen ist (als Wärmeanbeterin lebt sie vor allem in sonnenreichen Gebieten, etwa am Mittelmeer), aber sie scheint sich zu vermehren, was dafür spricht, dass der Lebensraum für sie geeignet ist. In Deutschland steht sie auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Das grüne Weibchen sieht aus wie ein Blatt

Sehen kann man das spektakuläre Insekt nur mit sehr viel Glück – nicht nur, weil es extrem selten ist, sondern auch, weil es sich praktisch unsichtbar machen kann. Das grüne Weibchen sieht beinahe aus wie ein Blatt und das braune, um einiges kleinere und schlankere Männchen könnte auch als Ast durchgehen.

Das „Gebet“ des Insekts ist tödlich für seine Opfer

Ihren Namen verdankt die Gottesanbeterin ihrer Haltung: Sie sitzt vollkommen bewegungslos da und hat ihre langen Fangbeinen wie zum Gebet gefaltet. Doch dieses Gebet ist tödlich für ihre Opfer: Das tagaktive Insekt mit dem auffällig großen dreieckigen Kopf wartet in dieser Haltung stundenlang, bis sich ein Beutetier nähert – und dann packt es blitzschnell mit den dornenbewehrten Fangbeinen zu. Und blitzschnell meint in diesem Fall: 50 Millisekunden. Das ist sechsmal schneller als ein Lidschlag des menschlichen Auges! Anschließend zerkleinert die Gottesanbeterin die Beute mit ihrem kräftigen Gebiss.

Eiablage unter Schienen

Die wärmeliebende Gottesanbeterin schlüpft im Mai und braucht dann sechs bis acht Häutungen, bis sie ihre endgültige Größe erreicht hat. Die wenig später folgende Paarung kann allerdings für das Männchen tödlich enden: Gelegentlich beißt ihm das Weibchen nach der Begattung den Kopf ab. Anschließend legt es bis zu 200 Eier in einem „Oothek“ genannten Klumpen ab, den es an Pflanzen anklebt. Im Naturpark Südgelände hat die Gottesanbeterin aber auch noch eine andere Eiablagestelle gefunden: die Unterseiten von Schienen oder Schottersteinen.

Die Eier halten auch frostige Temperaturen aus

Nach der Eiablage lebt die Gottesanbeterin nicht mehr lange. Im Herbst stirbt sie. Die Klumpen mit den Eiern sind stabil genug, um auch eisigen Wintertemperaturen standzuhalten.

Kein Wunder, dass ein solches Geschöpf auch die Phantasie der Menschen anregt. Man sieht in der Gottesanbeterin die Femme fatale, machte sie zum Vorbild für Kung-Fu-Kämpfer und in Japan gilt sie zudem als Symbol für Wachsamkeit, Geduld und Beständigkeit. Die Wahl zum Insekt des Jahres 2017 soll nach Angaben von Prof. Dr. Thomas Schmitt, dem Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg und Vorsitzenden des Auswahl-Kuratoriums, mit Vorurteilen aufräumen, die viele Menschen Fangschrecken gegenüber haben.

Gottesanbeterin hautnah

Wer unbedingt mal eine Gottesanbeterin oder eine andere Fangschrecke sehen möchte, sollte die Biosphäre in Potsdam besuchen. Dort kann man noch mehr Arten sehen, die aussehen wie Blätter oder Äste – großartige Wunder der Natur. Im Naturpark Südgelände braucht man schon mehr Glück. Im Sommer gibt es allerdings immer mal wieder Führungen – sobald Termine feststehen, werde ich sie an dieser Stelle veröffentlichen.

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Schöneberg, Prellerweg 47 (Eingang im S-Bahnhof Priesterweg).  Geöffnet tgl. ab 9 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit. Eintritt: 1 Euro (Kinder unter 14 Jahren kostenlos).

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20 Antworten auf „Begegnung mit der Gottesanbeterin“

Gestern ist eine Gottesanbeterin in meine Wohnung geflogen. Ich konnte sie kurz beobachten, dann war sie verschwunden. Heute Mittag fand ich sie auf dem Wäscheständer. Ich habe ihr meine Hand angeboten und sie auf einer Balkonpflanzenblüte abgesetzt. Da sie einen sehr „schlappen“ Eindruck machte, habe ich die Blüte mit etwas Wasser benetzt, von dem sie gern getrunken hat.
Nach etwas mehr als einer Stunde war sie dann weg. Ich habe auch Fotos und Videos gemacht.
Ich wohne in der Teltower Altstadt 😎

Lieber Peter, danke für Ihre Nachricht! Die Gottesanbeterin hatte Glück, an einen Menschen wie Sie zu geraten, der eine solche Begegnung zu schätzen weiß und behutsam mit ihr umgeht. Vielleicht taucht sie ja mal wieder auf Ihrem Balkon auf!
Viele Grüße von Silke

Hallo an allen, habe heute ein 10 cm grosses Weibchen in Köpenick entdeckt und auch ein Foto gemacht zum Zeitpunkt meines Post ist sie noch immer an dieser stelle

Grüße aus Berlin Lichtenrade ich habe heute in meiner Wohnung auf meinen Regenschirm eine wunderschöne Gottesanbeterin gefunden. 15.08.23

Hallo,
Heute habe ich eine Gottesanbeterin auf meinem Balkon gesehen.
Sie war ca. 8 cm groß.
Ich wohne in Französisch Buchholz ca. 50 m von der Panke entfernt.
Leider kann ich hier mein Foto nicht zeigen.

Hallöchen
Ich wohne in Mahlow. Südlich von Berlin
Ich konnte am Samstag den 4.9.21bei mir im Garten eine wunderschöne Gottesanbeterin sehen und super Fotos machen.

Oh, das ist ja toll!!! Das war wirklich eine ganz besondere Begegnung, denn die Gottesanbeterin ist sehr selten. Ich kannte tatsächlich nur den einen Standort in Schöneberg.
Liebe Grüße von Silke

Hallo Silke, ich habe mich sehr gefreut, als ich las, dass die Gottesanbeterin anscheinend weiterhin im Südgelände zu finden ist. Vor sehr vielen Jahren schon, hatte ich die Gelegenheit mit einer sehr kundigen Kartiererin ein Exemplar dort zu sehen. Mich hätte nun auch interessiert, ob das Tier tatsächlich bis zum heutigen Tage „durchgehalten“ hat…Ach ja, und vielleicht ist es besser aus dem Wort „dornunbewehrt“ das wahrscheinlich gemeinte Wort: „dornenbewehrt“ zu machen, weil man sonst glatt glauben könnte, es gibt da gar keine Dornen ;-).
Mit freundlichen Grüßen Bettina

Hallo, Bettina,
danke für Deine Nachricht! Ja, die Gottesanbeterin gibt es wirklich auch heute noch im Südgelände – die Bedingungen dort scheinen ihr zu gefallen. Es wird vermutet, dass das auch mit dem Klimawandel zu tun hat, denn eigentlich lebt sie in deutlich wärmeren Regionen. Allerdings braucht man viel Glück, um sie zu sehen. Ab Ende Mai gibt es wieder Führungen, bei denen man sie eventuell sehen kann. Ein einzelnes Exemplar wird übrigens sieben bis zwölf Monate alt.
Herzliche Grüße
Silke Böttcher

Ende Mai sind die Gottesanbeterinnen kaum zu finden, da sie erst im Laufe des Monats Mai aus ihrer (überwinterten) Oothek schlüpfen und in der dritten Mai-Dekade erst im 1. oder 2. Larvenstadium sind (L1/L2 = 6 mm bis 10 mm lang).
Ab Ende Juli kann man die Imagines, also die ausgewachsenen (geflügelten) Tiere, finden. Die Weibchen werden in Berlin 65-70 mm lang, die Männchen erreichen eine Länge von 50- 60 mm).

Lieber Herr Berg,
herzlichen Dank für Ihre Informationen! Ich hoffe sehr, in diesem Jahr mal wieder einer Gottesanbeterin in freier Wildbahn zu begegnen.
Viele Grüße von Silke

any tours would be amazing, I keep popping in to see if I can find one to get some pics, but nothing yet. amazing little creatures. hopefully hear about a tour soon.

Hello Alex,
unfortunately, I didn’t find any tours these days, but you could check the sites http://www.umweltkalender-berlin.de or gruen-berlin.de/natur-park-suedgelaende for dates. Or contact Detlef Dahlmann (www.detlefdahlmann.de) who knows everything about the Südgelände-Park and offers tours on a regular basis. Hope you see a mantis really soon!
Kind regards, Silke

Hallo!
Super Artikel, ich habe neulich selbst eine Gottesanbeterin gesehen und finde diese Tierchen so faszinierend. Ich dachte allerdings bis dahin, dass sie nicht in Deutschland leben. Na ja, jetzt kenne ich mich ja etwas besser aus. Weiter so!
Lg
Klaus

Liebe Frau Böttcher,
vielen Dank für Ihren Artikel zur Mantis religiosa im Naturpark Schöneberger Südgelände!
Haben Sie denn im Sommer 2014 noch Exemplare im Naturpark beobachten können?
Für Ihre Antwort wäre ich Ihnen dankbar!
Manfred K. Berg

Hallo, Herr Berg,
leider nicht – aber in diesem Jahr möchte ich bei einer Führung mitmachen, mit einem Biologen, der mir zeigen kann, wo genau die Tiere im Park unterwegs sind. Ich hoffe, dass ich dann mehr Glück habe. Es soll sie aber noch geben.
Herzliche Grüße von Silke Böttcher

Sehr guter Artikel. Ich gehe sehr oft zum entspannen auf dem Südgelände spazieren, habe aber leider noch nie eine Mantis gesehen. Vielleicht habe ich diesen Sommer Glück?

Hallo Silke,
Bin zufällig auf diese Seite geraten. Bin momentan in Marsa Alam im Urlaub und hatte heute Abend ein Exemplar in meinem Hotelzimmer. Leider flog sie ziemlich aufgeschreckt umher, so dass ich nur ein unscharfes Foto von ihr machen konnte. Ein sehr imposantes Tier, welches ich nach einigen Minuten wieder in die Freiheit verhalf.
Gruß aus Ägypten
Sonia

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