Es gibt Pflanzen, um die sich richtige Legenden ranken. Die Tollkirsche, Giftpflanze des Jahres 2020, ist eine davon. Ein eindrucksvolles Gewächs mit braun-violetten Glockenblüten und tiefschwarzen Beeren, von denen man sich unbedingt fernhalten sollte. Die Wahrscheinlichkeit, die Tollkirsche zu sehen, ist in Berlin und Brandenburg allerdings sehr gering, denn die kalkliebende Pflanze ist hier extrem selten.
Die Tollkirsche hat eine Vorliebe für Brachflächen
Die Tollkirsche wird 50 bis 150 Zentimeter hoch, und sie wächst besonders gerne auf Waldlichtungen, an Waldrändern und auf Brachflächen. Ihre Blüten sind glockenförmig und violett-braun. Nach der Bestäubung durch Bienen und Hummeln entstehen die Früchte, die tatsächlich ein bisschen an schwarze Kirschen erinnern.
Wunderschön und extrem giftig
Schon der botanische Name der Tollkirsche sagt einiges über die schöne und sehr giftige Pflanze aus, die an Waldrändern wächst und zu den Nachtschattengewächsen gehört: Atropa belladonna setzt sich zusammen aus Mythen. Atropos ist diejenige der drei griechischen Schicksalsgöttinnen, die dafür zuständig ist, den Lebensfaden zu zerschneiden (was die Tollkirsche tatsächlich kann – siehe übernächster Absatz). Und Belladonna – „schöne Frau“ – könnte daher kommen, dass Frauen früher den Saft der Tollkirsche in ihre Augen getropft haben, um ihre Pupillen zu vergrößern (was ihren Anbetern Verliebtheit vorgaukeln sollte. Dass damit häufig Sehstörungen verbunden waren, steht auf einem anderen Blatt).
Der Genuss der Beeren kann tödlich enden
Und auch der deutsche Name der Tollkirsche lässt sich erklären: Das Gift in den Beeren führt erst zu einem pelzigen Gefühl im Mund, später zu Halluzinationen (Tollheit – ein altdeutscher Begriff für Tobsucht), Herzrasen, Atemlähmung und Schluckstörungen – und im schlimmsten Fall zum Tod. Verschiedene Alkaloide, darunter Atropin, sind in den Beeren enthalten, und für Kinder können schon drei bis fünf Beeren tödlich wirken, bei Erwachsenen ist die Dosis höher. Weil auch Gift in den Blättern enthalten ist, sollte man die Tollkirsche lieber nur angucken und Kinder unbedingt ganz fernhalten.
Die Tollkirsche als Heilpflanze
Erstaunlich, aber wahr: Die Tollkirsche hat auch heilende Kräfte. Schon in uralten Zeiten befassten sich die Menschen mit der Pflanze. Hildegard von Bingen und Hieronymus Bock erwähnten sie, die Frauen des Mittelalters verwendeten sie, wie schon erwähnt, um ihre Pupillen zu erweitern, und man schrieb ihr magische Kräfte zu. Ein bisschen stimmt das sogar: Die Tollkirsche, oder besser das Atropin, wird noch heute medizinisch genutzt – gegen Magen-Erkrankungen zum Beispiel. Und in der Intensivmedizin nutzt man die Eigenschaft des Alkaloids, die Speichel- oder Magensaftbildung zu reduzieren. Auch in der Homöopathie wird die Tollkirsche eingesetzt. Aber Vorsicht: Niemals Teile der Pflanze nehmen, sondern immer nur fertige Präparate aus der Apotheke!
Telefon Giftnotrufzentrale Berlin: 030/192 40
Ein weiteres Nachtschattengewächs: der Bittersüße Nachtschatten
Weitere Artikel über Giftpflanzen